Der heilige Georg

Der Befreier vom Drachen des Bösen

Der hl. Georg ist in Ost und West gleichermaßen beliebt. In England wird er besonders verehrt. Seiner Fürbitte werden viele Wunder zugeschrieben. Er ist zum Symbol christlicher Tapferkeit geworden. Die Pfadfinder haben ihn zum Patron erkoren, weil er ihnen vorgelebt hat, "treu und mannhaft und mit reinem Herzen seinen Dienst zu tun. Georg war römischer Offizier unter Käiser Diokletian und starb um Jahr 305 den Martertod. Sein Fest wird am 23. April gefeiert. Die Kunst stellt ihn seit dem 12. Jhd. immer wieder dar. Die Blütezeit der Georgsdarstellungen ist das 15. und 6. Jhd. Er wird dargestellt als Ritter in Rüstung oder Waffenrock. Er trägt eine Lanze oder ein Schwert. Zu seinen Füßen ist der Drache, den er mit der Lanze durchbohrt. So stellt es auch Jörg Riemenschneider dar. Oft ist Georg hoch zu Ross und kämpft mit dem Drachen, so etwa au feinem Gemälde von Raffael. Dort ist auch das Mädchen betend dargestellt, das Georg vom Drachen befreit.

georg.jpg (25335 Byte)

 

Georg hatte der Legende nach den Rang eines Obersten. Der Kaiser schätzte seine Tapferkeit. Doch als der Kaiser anfing, die Christen zu verfolgen, trat ihm Georg mannhaft entgegen und machte ihm heftige Vorwürfe. Der Kaiser ließ ihn in Ketten legen und foltern. Aber je grausamere Foltern der Kaiser anwand, desto getroster wurde Georg. Seine Wunden heilten auf wunderbare Weise, weil Gott selbst ihm nachts zu Hilfe kam. So sah der Kaiser wohl ein, dass er ihn nicht überwinden könne. "Da die üblichen Martern nicht ausreichten, musste man neue erfinden. Georg erhielt den Namen ,der große Märtyrer', Megalomartyr, denn er litt tausend Tode nacheinander." (Melchers 241) Schließlich wurde er enthauptet.

Bekannt geworden ist Georg durch seine Begegnung mit dem Drachen. "Die Legende erzählt, dass Georg eines Tages aus Nikomedien in die Stadt Silene in Lybien kam. In der Nähe dieser Stadt hielt sich in einem großen Sumpf ein wüster Drache auf. Die Bewohner der Stadt fürchteten sich vor ihm sehr. Um ihn nicht zu reizen und um ihn von der Stadt fernzuhalten, brachten sie jeden Tag zwei Schafe zum Sumpf, die der Drache als Nahrung verzehrte. Als die Zahl der Schafe immer kleiner wurde, opferten sie dann jeden Tag nur mehr ein Schaf, gaben aber noch ein kleines Kind dazu. Als nach dem Los einmal auch die Tochter des Königs ausgeliefert werden sollte, wartete dieser eine ganze Woche lang, er konnte sich von seinem geliebten Kind nicht trennen. Schließlich blieb ihm aber doch nichts übrig, er gab seine Tochter her.

Da kam gerade der heilige Georg dazu. Das Mädchen erzählte ihm von den schrecklichen Opfern, die dem Drachen gebracht werden müssten; wenn Georg sein Leben achte, solle er, bevor der Drache noch aus dem Sumpfe steige, flüchten und so sein Leben retten. Dazu konnte der Held sich nicht entschließen, im Gegenteil, er stürmte gegen den Drachen los und erschlug ihn nach einem heftigen Kampfe. So wurde die Königstochter und mit ihr die ganze Stadt gerettet. Die Folge war, dass der König und alle seine Untertanen den christlichen Glauben annahmen." (Hildebrand 35)

Der Drache ist Bild des Bösen, des Dunklen und Schattenhaften in unserer Seele. Es gibt den Weg, den Schatten zu integrieren, wie es die Geschichte der hl. Margarete zeigt. Es gibt aber auch den Weg, den der hl. Georg verkörpert. Manchmal müssen wir das Ungeheuer, das aus dem Sumpf unseres Unbewussten aufsteigt, auch töten. Sonst würde es nicht nur unsere Schafe, sondern auch das Kind in uns vernichten. Es würde das Unverfälschte und Unberührte in uns verschlingen. Georg ist ein Bild für das Mannhafte in uns, das keine Angst hat vor dem Drachen, der aus den Tiefen unserer Seele emporsteigt. C.G. Jung sagt wiederholt, dass sich manche dämonischen Bilder aus dem kollektiven Unbewussten nicht integrieren lassen, dass man sie nur töten könne. Manches in uns muss herausgeworfen werden, sonst würde es uns verschlingen. Das können depressive Gedanken sein, die wie ein Sumpf uns nach unten ziehen. Das können mörderische Impulse sein oder destruktive Tendenzen. Georg zeigt uns, dass wir diesem Drachen in uns nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern dass wir mit Gottes Hilfe dagegen kämpfen können.

Die Legenda aurea kennt verschiedene Deutungen des Namens Georg. Georg heißt eigentlich der Landmann, der die Erde bebaut. Aber man könnte es auch ableiten von gerar, heilig, und gyon, Kampf. Georg ist dann der heilige Streiter, der mit dem Drachen und dem Henker gekämpft hat. "Oder Georg kommt von gero, Pilger; gir, kostbar; und ys, Ratgeber: denn er war ein Pilger in Verachtung der Welt, kostbar durch seine Märtyrerkrone und ein Ratgeber, da er in dem Königreiche predigte." (Legenda aurea 300) Die verschiedenen Bedeutungen des Namens Georg zeigen, für wie viel Weisen gelungener Menschwerdung er steht. Er ist ein Bild des tapferen Streiters, aber genauso auch des Menschen, der die Erde bebaut, der also den Acker seiner Seele bebaut, dass er Frucht bringe für Gott. Und er ist ein Bild des Pilgers, der durch diese Welt fährt und genau weiß, dass er von woanders her kommt, dass er einen himmlischen Ursprung hat. Dieser himmlische Ursprung gibt dem hl. Georg den Mut, gegen den Drachen zu kämpfen und ihn zu besiegen. Der himmlische Ursprung schenkt dem Heiligen auch das Vertrauen, durch alle Foltern seiner Henker hindurchzugehen. Er weiß, dass seine Wunden heilen, dass die Menschen ihm keine Wunden zufügen können, die Gott nicht in neues Leben zu verwandeln vermag. Die Heilung der Wunden ist ja ein häufiges Motiv in den Legenden der Nothelfer. Über Nacht kommen Engel oder Christus selbst, um die Wunden zu heilen, die grausame Menschen den Heiligen zugefügt haben. Gott wird unsere Wunden immer wieder heilen. Aber irgendwann werden wir auch von der tödlichen Wunde getroffen. Wenn Gott es will, dann werden wir sterben. Aber auch der Tod wird uns nicht besiegen. Er wird uns nur das Tor zum wahren Leben öffnen.

Georg ist neben Achatius und Eustachius der dritte Soldat im Reigen der 14 Nothelfer. Unserem Bild des friedliebenden Heiligen widerspricht die Tatsache, dass die drei aktiv gegen den Feind gekämpft haben und vom Kaiser sogar wegen ihrer Tapferkeit belohnt worden sind. Aber in diesen drei heiligen Soldaten zeigt uns die Volksfrömmigkeit, dass wir auch als Christen gut mit unserer Aggression umgehen müssen. Ich erlebe bei frommen Menschen häufig, dass sie die zwei wichtigsten Lebensenergien verdrängt haben, die Aggression und die Sexualität. Wer die Aggression verdrängt, der braucht seine ganze Energie dazu, sich anzupassen, nach außen hin eine freundliche Fassade aufzubauen, sich und seine Emotionen zu beherrschen.

Aber häufig richten diese Menschen dann ihre Aggressionen nach innen und werden depressiv. Oder aber sie zeigen auf versteckte Weise ihre verdrängten Aggressionen. Sie äußern sich dann in giftigen Bemerkungen, in zynischen Äußerungen, in Härte und Selbstgerechtigkeit. Man schimpft dann auf alle, die sich nicht genügend anstrengen, den Willen Gottes zu erfüllen. Die Aggression ist eine wichtige Lebensenergie. Sie gibt uns die Kraft, uns in gesunder Weise abzugrenzen von den Erwartungen und Forderungen unserer Umwelt und uns gegen Kräfte zu wehren, die uns nicht gut tun. Georg hat den Drachen getötet, der so viele Menschen verschlungen hat. Es gibt Menschen, die uns mit ihrer Liebe vereinnahmen und verschlingen möchten.

Gegen sie müssen wir uns abgrenzen. Und es gibt Menschen, die uns mit ihrer Unzufriedenheit anstecken möchten. Auch da brauchen wir die Aggression, um uns davor zu schützen. Die drei hl. Soldaten wollen uns Wege weisen, unsere Aggression nicht zu verdrängen oder als unfromm abzutun, sondern sie konstruktiv einzusetzen auf dem Weg unserer Menschwerdung.

Quelle: Anselm Grün
Die 14 Nothelfer als Bilder einer christlichen Therapie
VIER-TÜRME-VERLAG MÜNSTERSCHWARZACH
ISBN 3-87868-596-3


Inhalt

hl. 14 Nothelfer

Stift Ardagger