DER HEILIGE ACHATIUS

Der Engel in unserer Todesangst

In der Verehrung des hl. Achatius sind verschiedene Heilige vermischt worden. Da ist einmal Achatius aus Konstantinopel, der unter Diokletian um das Jahr 300 starb. Er wird am 8. Mai verehrt. Dann ist Achatius aus Armenien, der als Märtyrer zwischen 117 und 135 zusammen mit den 10.000 Soldaten gekreuzigt worden ist. Er wird am 22. Juni gefeiert. Seine Legende ist vor allem von den Kreuzfahrern immer wieder erzählt worden. Sie ist aber mit ihren archetypischen Bildern auch heute noch modern.

Achatius wird dargestellt mit einem dornigen Zweig oder Ast oder mit einer Dornenkrone auf dem Kopf, wie hierauf dem Bild. Off hält er ein großes Kreuz, das auf seinen eigenen Tod am Kreuz hinweist.

Manchmal wird er auch mit einer Palme, einer Lanze oder einem Schwert dargestellt. Der Künstler von Estenfeld hat ihm ein überlebensgroßes Kreuz beigegeben.

achatius.jpg (26216 Byte)

Nach der Legende war Achatius Anführer eines kaiserlichen Heeres von 9.000 Soldaten, das von Kaiser Hadrian ausgesandt worden war, um die Aufständischen in Armenien zu unterwerfen.

Doch die traten ihnen mit 10-facher Übermacht entgegen. Als alle Soldaten Angst bekamen und fliehen wollten, erschien dem Achatius ein Engel des Herrn, der ihm verkündete, er würde mit seinen Soldaten siegen, wenn sich alle zum Christentum bekehren würden. Das taten sie und so besiegten sie mit Gottes Hilfe den Feind. Der Himmel öffnete sich über ihnen und 7 Engel stiegen zu ihnen herab und redeten ihnen Mut zu. Sie würden sie begleiten und über sie wachen. Als Kaiser Hadrian hörte, dass sie zum Christentum übergetreten waren, schickte er 7 Barbarenkönige mit ihren Heeren, um sie zum Abfall zu bewegen. Aber es gelang ihnen nicht.

Als man sie steinigen wollte, flogen die Steine zurück auf die, die sie schleuderten. Als man sie geißeln wollte, verdorrten die Hände der Geißler. "Schließlich sandte Hadrian den Befehl, dass man sie genauso leiden lassen sollte wie den Gekreuzigten, den sie anbeteten. Da krönte man sie mit scharfen Dornen und durchbohrte ihre Seiten mit spitzen Ästen. Von den heidnischen Soldaten, die das mitansahen, traten weitere tausend aus ihren Reihen zu den Märtyrern und bekehrten sich zu Christus, so dass ihre Zahl nun zehntausend war. Dann schlug man sie alle an Kreuze am Berge Ararat." (Melchers 385) Sie wurden zur 6. Stunde gekreuzigt, genau wie Jesus. Auch die Umstände glichen der Kreuzigung Jesu. Die Sonne verfinsterte sich und die Erde bebte. Die Märtyrer beteten um die Gnade, "dass allen, die ihr Andenken feierten, Gesundheit des Leibes und der Seele und alle Güter verliehen werden sollten" (Ebd 385). Vom Himmel her hörten sie eine Stimme, die ihnen die Erhörung versprach. Seither werden Achaz und seine Gefährten angerufen in schweren Krankheiten und in Todesangst und zur Stärkung in Zweifeln.

Ich möchte nur ein paar Bilder aus dieser Legende betrachten. Da ist das Bild des Heerführers, der die Feinde besiegt. Wenn sich die Soldaten zu Christus bekehren, werden sie die Feinde überwinden. Christliches Leben wird hier als Kampf geschildert. Die Legende illustriert, was der Epheserbrief sagt: "Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt." (Eph 6,11) Der Christ muss sich wehren gegen die inneren Feinde, die ihn angreifen. Er braucht den Kampfesmut eines hl. Achatius. Die Legende erzählt, dass die Steine, die die Feinde gegen die Soldaten werfen, auf sie zurück fliegen. Die Aggressionen der andern können uns nicht schaden, wenn wir die Waffenrüstung Gottes angezogen haben.

Wenn wir in Christus unsern Grund haben, dann können uns die aggressiven Pfeile der Menschen um uns herum nicht erreichen. Sie prallen ab und wenden sich gegen den, der sie abgesandt hat. Das Verankertsein in Christus ist wie ein Schutzschild, durch den die Verletzungen der andern nicht dringen können. Die verdorrten Hände derer, die die Soldaten geißeln wollten, zeigen, dass uns die Verletzungen nicht treffen, wenn wir unsern Grund in Christus haben, wenn wir uns wie die christlichen Soldaten von den Engeln Gottes umgeben wissen. Die Engel spielen in der Legende des Achatius eine wichtige Rolle. Sie begleiten ihn, schützen ihn und nähren ihn. Die Engel drücken aus, dass Gott selbst uns auf all unseren Wegen begleitet, dass er uns mit seiner liebenden Gegenwart schützend umhüllt und dass er unsern tiefsten Hunger stillt, dass Gott der wahrhaft nährende ist. Die Engel geben den Soldaten das Vertrauen, mitten in einer feindlichen Umgebung doch unverletzt zu bleiben. Und sie führen sie zur Vollendung, wie die Zahl zehntausend es symbolisiert. Zehntausend ist ein Bild der Ganzheit. Wenn ich auf den Engel höre, der mich begleitet, dann führt er mich zu dem Bild, das Gott sich von mir gemacht hat, dann lässt er mich heil werden und ganz. Dann werden die 10.000 Soldaten in mir, dann werden die verschiedenen Kräfte und Bedürfnisse in mir nicht gegeneinander kämpfen, sondern zu einer großen Einheit, zu einem geschlossenen Heer, das alle Feinde abwehren kann.

Achatius wird bei Todesangst angerufen. Die Legende beschreibt, wie die 10.000 Soldaten sich nicht gegen den Tod wehren. Sie nehmen den Tod in Gemeinschaft mit Christus auf sich. Sie sterben wie Christus um dieselbe Stunde und in der gleichen Weise. Ihr Tod wird zum Triumph ihres Glaubens. Hier wird die Todesangst thematisiert. Die Heiligen haben die Todesangst im Vertrauen auf die Engel Gottes überwunden, die ihnen verheißen haben, dass sie über sie wachen und ihnen beistehen. Das ist ein Urbild der göttlichen Hilfe, dass Engel kommen, um uns im Tod beizustehen und uns hinüberzuführen in das Reich des Lebens und des Lichtes. Die Engel, die in der Legende eine so zentrale Rolle spielen, sind auch heute wieder neu in unser Bewusstsein gerückt. Für viele ist Gottes Hilfe zu abstrakt. Sie können sich nicht vorstellen, dass Gott in ihr Leben eingreift. Aber dass Gott Engel schickt, die uns beschützen und die uns auch im Tod zu Hilfe kommen und uns zu Gott geleiten, dafür haben wir heute durchaus Verständnis. Die Engel sind ähnlich wie die 14 Nothelfer Bilder für den nahen Gott, für den Gott, der hineinkommt in unsere Angst, in unsere Not.

Es ist ja interessant, dass in der evangelischen Frömmigkeit 14 Engel die Funktion der 14 Nothelfer übernehmen. Sie wachen über uns, wenn wir schlafen. Und sie werden uns auch zu Gott führen, wenn wir sterben.

Die Verehrung des hl. Achatius zeigt uns, dass die Todesangst durchaus auch Christen befallen kann. Es ist eine Urangst, die man auch durch Vertrauen auf Gott nicht einfach beiseite schieben kann. Der Schritt ins Ungewisse und Unbekannte macht Angst. Manche erfasst im Augenblick des Sterbens eine große Unruhe. Es ist nicht immer die Angst vor der Verdammung, sondern oft genug einfach die Angst vor den Schmerzen, die einem die Besinnung rauben können. Oder es ist die Angst vor der Ohnmacht des Todes, vor dem Loslassen des ganzen Lebens und vor dem Erscheinen vor Gott. Da ist es tröstlich, dass ein Engel erscheint und uns zu Gott geleitet, damit wir nicht allein vor ihm erscheinen müssen, sondern beschützt und bewacht von unserem Engel, der mit uns vertraut ist. Der Engel ist ein Bild für den nahen Gott und zugleich ein Bild für die spirituelle Dimension unserer Seele. Der Engel ist um uns, aber er ist auch in uns. Der Engel in uns führt uns im Tod zu Gott. Wir werden im Tod nicht zerfallen. Der Engel in uns hält uns zusammen und führt uns in die Vollendung bei Gott.

Der hl. Achatius wird mit dem Dornstrauch oder der Dornenkrone dargestellt, manchmal auch mit einem dürren Ast. Das wird aus der Legende verständlich, die erzählt, dass er mit Dornen gestochen wurde. Die Dornen können aber auch Bild sein für das Wertlose, Verdorrte, Ausgebrannte, Unbrauchbare in uns. Der dürre Ast stellt die gleiche Befindlichkeit dar. Wir sind oft verdorrt und leer geworden, wir sind innerlich wie äußerlich ausgetrocknet. Wir haben unsere Fruchtbarkeit eingebüßt. Gott, so sagt uns das Bild des hl. Achatius, kann wieder neues Leben in uns aufblühen lassen, wenn wir wie der Heilige unser Vertrauen auf Ihn setzen, wenn wir den hl. Engeln trauen, die Gott immer wieder zu uns sendet, gerade dann, wenn alles aussichtslos für uns geworden ist, wenn alles Leben abgestorben ist. Der Gott, der seine Heiligen durch den Tod hindurch zum wahren Leben führt, will uns auch schon hier auf Erden wahres Leben schenken. Wenn wir uns in unserer Ohnmacht an Gott wenden, dann wird er den dürren Ast in uns zum Blühen bringen, dann werden - wie es die Legende von Maria ausmalt - unsere Dornen Rosen tragen, dann werden wir bei aller Dürre und Trockenheit doch zu ganzen Menschen, wie es die Zahl 10.000 symbolisiert.

Achatius wird als Nothelfer beim Streit um Gerechtigkeit angerufen. Das können die vielen Erbschaftsstreitigkeiten sein, bei denen Geschwister und Verwandte sich oft nicht gegenseitig gerecht werden. Das kann die Auseinandersetzung sein um gerechte Güterverteilung zwischen den Völkern. Das können die täglichen Konflikte sein, die uns verletzen und unser Recht auf Leben einschränken. Achatius hat nicht auf seinem Recht bestanden, weil er sich als Sohn Gottes fühlte. Gott ist es, der ihm Recht verschafft. Darum braucht er nicht auf menschliches Recht zu pochen. Er gibt sein Recht auf Leben nicht aus Schwäche auf, sondern aus der Position der Stärke heraus, weil er sich eben in Gott gegründet weiß. Wenn Menschen den hl. Achatius im Streit um Gerechtigkeit anrufen, dann erahnen sie, dass es für sie noch ein anderes Recht gibt als das menschliche. Es gibt das göttliche Recht auf Leben, das göttliche Recht auf meine Ehre und Würde, das mir niemand rauben kann. Das schenkt mir Freiheit gegenüber allen menschlichen Auseinandersetzungen um Recht und Gerechtigkeit.

Quelle: Anselm Grün

Die 14 Nothelfer als Bilder einer christlichen Therapie

VIER-TÜRME-VERLAG MÜNSTERSCHWARZACH

ISBN 3-87868-596-3

Inhalt

hl. 14 Nothelfer

Stift Ardagger