DIE HEILIGE KATHARINA

Die Heilerin zerbrochener Lebensentwürfe

Katharina heißt "die allzeit Reine". Sie ist Patronin der Gelehrsamkeit, der Philosophen und der Studenten. Ihre Hilfe wird angerufen bei Migräne und Zungenkrankheiten und zur Auffindung Ertrunkener. Sie wird dargestellt mit einer Krone, da sie Königstochter war, mit dem zerbrochenen Rad, mit einem Buch, Schwert und Palme, manchmal auch mit einem Ring, der die mystische Vermählung mit Christus symbolisiert. Denn der Legende nach soll ihr in der Nacht Maria mit ihrem Kind Jesus erschienen sein. Jesus neigte sich zu ihr herab und steckte ihr einen goldenen Ring an den Finger zum Zeichen, daß sie von nun an seine Braut sei. Als Katharina erwachte und den Ring wirklich am Finger glänzen sah, warf sie sich auf die Knie nieder und gelobte ihrem göttlichen Bräutigam, immer jungfräulich zu leben und zu sterben. " (Ströter 102) Oft liegt zu ihren Füßen eine männliche Gestalt mit Krone. Sie stellt den Kaiser Maxentius dar, den die Heilige besiegt hat durch ihre Vorhaltungen und durch ihre Argumentation. Jörg Riemenschneider hat Katharina nur mit Königskrone und Schwert dargestellt. Katharina wurde 310 enthauptet.

Ihr Fest wird am 25. November gefeiert.

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Katharina war eine Königstochter von schönem Aussehen. Da ihre Eltern schon gestorben waren, lebte sie allein mit Dienern in ihrem Palast. Sie war in allen Künsten und Wissenschaften sehr gut ausgebildet. Sie besaß also zugleich Reichtum, Schönheit und Weisheit. Ein Einsiedler hatte sie in der Lehre Christi unterwiesen und getauft. Als der Kaiser Maxentius in die Stadt kam und die Christen vor die wilden Tiere warf, trat Katharina ihm öffentlich entgegen und machte ihm heftige Vorwürfe. Der Kaiser war von der Schönheit und Klugheit der jungen Frau sehr angetan. Er ließ 50 Philosophen kommen, um Katharina zu widerlegen. Doch Katharina überwand sie alle. Und viele von ihnen ließen sich taufen. Da ließ sie der Kaiser alle auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Katharina ließ er mit Ruten schlagen und schwer verwundet in den Kerker schaffen. Aber Christus und seine Engel pflegten sie. Als die Kaiserin sie nachts besuchte, wunderte sie sich, dass sie in leuchtendes Licht getaucht war. Katharina überzeugte sie vom christlichen Glauben, so dass die Kaiserin sich taufen ließ. Als der Kaiser von seiner Dienstfahrt zurückkam, wunderte er sich, dass Katharina genauso blühend aussah wie zuvor.

So befahl er, dass man vier Eisenräder fertigte, mit spitzen Nägeln daran. Mit denen sollte sie zu Tode geschleift werden. Doch ein Engel kam und zerstörte das Räderwerk. Der Kaiser war wütend und befahl, Katharina zu enthaupten. Aus ihrem Leib floss kein Blut, sondern Milch.

Ihr Leichnam wurde von Engeln aufgenommen und zum Berg Sinai getragen, dorthin, wo Mose vor dem brennenden Dombusch gestanden war.

Das zerbrochene Rad, mit dem Katharina dargestellt wird, kann verschiedene Bedeutungen haben. Einmal ist es ein Bild des Sonnenrades und des göttlichen Lichtes der Sonne. Katharina, die reine Frau, ist Tochter der Sonne. Sie zeigt, dass die göttliche Sonne alles in uns erleuchten kann. Das Rad kann auch ein Bild für das Spinnrad sein, das ein Attribut der Göttin Freya war, deren Fest am 25. November, dem Katharinentag, gefeiert wurde. Das Rad zeigt uns, dass Gott unsere Fäden in den Händen hält, und dass es ein guter, ein mütterlicher Gott ist, auf den wir vertrauen dürfen. Am Fest der Freya durfte man kein Spinnrad treiben. Am Katharinentag darf kein Rad rundgehen, sagt der Volksmund. Der 25. November leitet schon zum Advent über. Das alte Rad hat sich zu Ende gedreht. Das Rad kann auch ein Bild für das Todesrad sein, für das Auf und Ab, das unser Dasein bestimmt. Das zerbrochene Rad ist ein Zeichen dafür, dass wir frei geworden sind von der Anbindung an das Rad des Todes. Engel zerstören wie bei Katharina auch bei uns das Rad der Gebundenheit und führen uns in die Freiheit Christi. Sterbende dürfen mit der Hilfe Katharinas darauf vertrauen, dass ihr Schicksalsrad durch die göttliche Hilfe durchbrochen wird. Daher wird Katharina oft in Todesnot angerufen. Niemand, so sagt uns dieses Symbol, hat mehr Macht über uns. Unser Rad wird in Gott hinein vollendet.

Die Wunde, für die man die Hilfe der hl. Katharina anfleht, könnte man als zerbrochene Lebenspläne bezeichnen. Viele haben das Gefühl, ihr Lebenswerk sei zerbrochen, ihre Pläne gescheitert. Das zerbrochene Rad der hl. Katharina deutet uns unsere zerbrochenen Lebenspläne. Ein Engel Gottes selber hat sie zerbrochen, damit wir nicht Sklaven unserer eigene Pläne bleiben, sondern immer wieder neu das erfüllen, was Gott heute von uns will uns was uns heute zum Heil dient. Auch das Gebrochene und Zerbrochene gehört zu uns. So stellt es die Kunst im Bild der hl. Katharina dar. Gerade durch das Zerbrechen unserer Vorstellungen kann wahre Weisheit wachsen, die Einsicht in das Geheimnis unseres Lebens, so wie Gott es konzipiert hat. Zerbrochene Lebenspläne können uns selbst zerbrechen, wenn wir starr festhalten an unseren Vorstellungen. Doch sie können uns auch aufbrechen für das Geheimnis der Liebe Gottes. Katharina will uns einweihen in das Geheimnis unseres Lebens, das gerade durch Gebrochenheit hindurch hineinwächst in die Gestalt wahrer Schönheit, in die ursprüngliche und unverfälschte Gestalt, in die Gott uns hineinformen möchte.

Ein anderes Bild ist die Milch, die aus Katharina fließt. Milch ist nicht nur Nahrung für den Leib, sondern auch für die Seele. Sie bedeutet Unsterblichkeit. In der Antike spielt die Milch eine wichtige Rolle bei der Einweihung in die Mysterien. Im Christentum wird sie Neugetauften bei der ersten Eucharistie gereicht. In Sagen und Legenden ist die Verwandlung von Blut in Milch Erweis der Unschuld des Hingerichteten und zugleich Zeugnis für die Reinheit und Keuschheit eines Menschen. Die Milch ist mütterliche Gabe. Erich Neumann, der Schüler C.G. Jungs, meint, die Milch sei ein Bild für das Große Weibliche, für die nährende Dimension und zugleich für die Sophia, für die Weisheit. Milch hat immer mit Wandlung zu tun. Die Milch, die aus Katharinas Leib fließt, ist ein Zeichen dafür, dass der Mensch zu einer nährenden Quelle für andere wird, wenn er sich wie Katharina an Gott bindet, dass er andere zur Weisheit führen kann, wenn er sich vom Geist Gottes durchströmen läßt. Und sie ist Zeichen dafür, dass uns Katharina, die reine und für Gott ganz und gar durchlässige Frau, einführt in das Geheimnis Gottes, in das Geheimnis der göttlichen Liebe.

Katharina wird bei Zungenleiden angerufen. Sie hat durch ihre glänzende Rede die 50 besten Philosophen ihrer Zeit widerlegt. Zungenleiden, das kann Stottern meinen, eine innere Hemmung, die oft aus der Angst kommt, man könne nicht gut genug sprechen. Ändern bleibt die Stimme weg. Das kann verschiedene Ursachen haben.

Dem einen verschlägt es die Sprache, weil er etwas erlebt hat, was für ihn zutiefst sinnlos ist, wogegen er sich aber nicht wehren kann. Dem ändern versagt die Stimme, weil er sich die Wut verbietet, die er eigentlich herausschreien möchte. Die Stimme ist ein wichtiger Indikator, ob es mit mir "stimmt". Wenn es mir nicht gut geht, wird auch meine Stimme flach und gepresst.

Wenn ich vor ändern blockiert bin, wird sich das auch auf die Stimme schlagen. Katharina kann nicht nur so glänzend sprechen, weil sie gut gebildet ist, sondern weil sie dem Geist Gottes vertraut. Sie steht nicht unter dem Druck, sich im Sprechen beweisen oder die Philosophen besiegen zu müssen. Sie spricht das aus, was der Geist ihr eingibt. Sie stimmt überein mit ihrem Herzen, mit dem Geist, den Gott ihr schenkt. Wenn Katharina in solchen Zungenleiden angerufen wird, dann drückt sich darin die Hoffnung aus, dass auch wir so "rein und lauter" sein dürfen wie Katharina, dass auch wir mehr und mehr übereinstimmen mit dem Geist Gottes in unserem Herzen. Dann werden auch wir das mit unserer Zunge ausdrücken können, was uns das Herz sagt.

Katharina wird auch als Nothelferin angerufen bei Lernproblemen. Das ist heute eine Not, unter der viele Kinder leiden und die manchen Eltern Probleme bereiten. Sie möchten den Kindern beim Lernen helfen. Aber sie werden immer wieder mit ihrer Ohnmacht konfrontiert. Alles Helfen fruchtet nicht. Das Kind möchte lernen. Aber es kann nichts behalten. Es kann sich nicht konzentrieren. Katharina als die reine und lautere Frau zeigt, wie Lernen gelingen kann. Ich muss mich zuerst befreien von all dem inneren Unrat, der mich ständig in Beschlag nimmt. Viele können nicht lernen, weil sie sich zu sehr mit anderen Problemen beschäftigen. Das können traumatische Erfahrungen sein, das können Ängste sein, Verletzungen, die sie verdrängt haben, die aber im Unbewussten weiter wirken. Eine junge Frau, die in ihrer Klasse das beste Abitur geschrieben hatte, konnte als Studentin nicht mehr lernen, weil sie an Esssucht litt. Die Esssucht zeigte ihr, dass sie sich zutiefst nach Liebe und Nähe sehnte, dass es nicht genügte, nur mit Verstand und Willen zu leben, sondern dass da ganz tiefe Bedürfnisse in ihr auch befriedigt werden wollen. Manchmal ist die Unfähigkeit zu lernen auch Ausdruck verdrängter Aggression. Je mehr sich die Mutter um das lernende Kind kümmert, desto mehr wächst in ihr ein unbewusster Widerstand. Das ist für manche Kinder der einzige Weg, ihre Aggression zu zeigen oder ihre Sehnsucht nach Zuwendung auszudrücken. Die Reinheit der hl. Katharina können wir nicht kopieren. Aber wir können ihr ein Stück näher kommen, wenn wir all die unbewussten Aggressionen und Widerstände Gott hinhalten, damit wir den Kopf frei bekommen für das Lernen. Lernen und effektives Arbeiten ist immer Ausdruck eines in sich stimmigen Menschen, eines Menschen, der wie Katharina rein und durchlässig geworden ist für Gottes Geist. Es ist also nicht nur ein psychologisches, sondern letztlich ein spirituelles Problem. Dafür steht die Gestalt der hl. Katharina.

Quelle: Anselm Grün
Die 14 Nothelfer als Bilder einer christlichen Therapie
VIER-TÜRME-VERLAG MÜNSTERSCHWARZACH
ISBN 3-87868-596-3


Inhalt

hl. 14 Nothelfer

Stift Ardagger