Leopoldine Pelzl

Überlegungen zur Gründungsurkunde von Stift Ardagger

 

Im Gründungsjahr des Stiftes Ardagger, 1049, bestanden von den zahlreichen Stiften und Klöstern Niederösterreichs nur zwei[1]: St. Polten, eine Gründung der Karolingerzeit, und Melk, das wenige Jahrzehnte vor Stift Ardagger entstanden ist. Ardagger gehört also zu den frühesten geistlichen Anstalten: Nicht einmal hundert Jahre nach 955, als am Lechfeld die Ungarn besiegt wurden und die ungestörte mittelalterliche Kulturentwicklung unserer Heimat begann, wurde es gegründet. Es war auch als Träger solcher Kulturentwicklung gedacht. Kaiser Heinrich III. selbst, der Salier auf dem Höhepunkt mittelalterlich-kaiserlicher Macht, hat es gegründet.

Unter allen Stiften und Klöstern Niederösterreichs konnte sich sonst nur ein einziges eines kaiserlichen Urhebers rühmen! Dieses eine war auch ein Stift weltlicher Kleriker, das wiederum Heinrich III. ins Leben gerufen hat, und zwar für die neugegründete ungarische Mark. Es ist aber nach kaum einem Jahrzehnt wieder eingegangen[2].

Einrichtung und Zweck der Gründung zeigt der Wortlaut der Urkunde an[3].

Ihre deutsche Übersetzung:

„Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Heinrich, von Gottes gnädiger Vorsehung römischer Kaiser, allzeit Mehrer des reiches. Weil wir aufgrund des Rechtes unserer übernommenen Königsherrschaft allen Kirchen des römischen Reiches die ihnen gebührende Sorgfalt zuteil werden lassen müssen, wollen wir für jede einzelne Sorge tragen, soweit es uns durch göttliche Vorsehung möglich ist, und sie in ihrem Gottesdienst unterstützen.

Daher mögen alle getreuen Christen und auch unsere Getreuen, sowohl die zukünftigen wie auch die gegenwärtigen, wissen, dass wir für unser und unserer Vorgänger Seelenheil und über Fürsprache unserer kaiserlichen Gattin Agnes und zum Dank für die ergebenen Dienste unseres getreuen und geliebten Bischofs von Freising, Nitker, zum Altar der heiligen, immer jungfräulichen Maria und des heiligen Bekenners Corbinian im Kloster Freising dieses Gut schenken, das Ulrich und Ascwin in Ardadierin der Markgrafschaft Adalberts jenseits des Flusses Enns gehabt haben und

das nach Volksrecht unserer Gewalt untersteht: mit altem seinem Zubehör, nämlich den Hörigen (mancipiis) beiderlei Geschlechts, Hofstätten und Gebäuden, Äckern, Feldern, Wiesen, Weiden, bebautem und unbebautem Land, Wäldern, Jagdgebiet, Wasser und einzelnen Wasserläufen, Wasser und sonstigen Mühlen, Fischweiden, mit allen Wegen, die herein- und hinausführen, mit wegsamem und unwegsamem Gelände, urbarem und noch urbar zu machendem Land, mit allen Rechten und Nutzungen, die auf irgendeine Weise daraus gewonnen werden können, und zwar unter der Bedingung: dass der genannte Bischof und seine Nachfolger im vorgenannten Platz Ardagger weltliche Kleriker zum Gottesdienst betreuen und mit einer ordnungsgemäßen Pfründe unterhalten und dass diese dort eingesetzt und versammelt werden zu Ehren der heiligen Jungfrau und Martyrin Margareta. Und damit diese unsere kaiserliche Schenkung bestehen bleibe, haben wir diese darüber ausgefertigte Urkunde mit unserer eigenen Handschrift bekräftigt und befohlen, sie durch Eindruck unseres Siegels zu besiegeln. Die Grenzen aber des oberwähnten Gutes sind folgende: Von Holesceit bis in den Sambach, vom Sambach bis in den Tiefenbach. Gegeben an den 7. Iden des Januar im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 1049, in der 2. Indiktion, und zwar des Königs Heinrich III., des Kaisers Heinrich II. im 20. Jahr seiner Ordination, im 10. Jahr seines Königtums, im 3. Jahr seiner Kaiserherrschaft. Im Namen des Herrn geschehen zu Ebersberg, was zum Heil gereichen soll, Amen."

Des Kaisers Absicht war es also, Weltgeistlichen eine Heimstatt zu bieten, wo sie in frommer Gemeinschaft die Kraft finden konnten, als eifrige und würdige Pfarrer in der Umgebung zu wirken. Solche Kollegiatstifte dienten der stärkeren Leitung der Geistlichkeit in einer Zeit, als die Diözesen noch groß waren und vieles der lokalen Initiative überlassen bleiben musste.

Besonders sollten sie auch die damals vielfach missachtete priesterliche Ehelosigkeit wiederherstellen. Sie entstanden zu der Zeit häufig und waren im Programm der großen christlichen Reformbewegung in den Jahren um 1000, die die Kirche zu neuer Kraft und Blüte brachte[4]. Der Kaiser war selbst der eifrigste Anhänger dieser Reformbewegung, und der königliche Einfluss war zu seiner Zeit größer als der des Bischof[5]  Wir haben gesehen, dass er in der ungarischen Mark alsbald ein Zentrum für die Pfarrgeistlichkeit schuf. So trug er auch persönliche Sorge um die Pfarreien und ihre christlich-kulturelle Tätigkeit im Herzen der zunächst gewonnenen und wichtigsten Mark, und das war der Donauraum und das Alpenvorland im Westen Niederösterreichs. Tatsächlich findet man noch nach Jahrhunderten Chorherren nicht nur in den zunächst und später dem Stift angegliederten Pfarren Markt Ardagger, Stephanshart, Zeillern und Kollmitzberg, sondern auch in Amstetten, Waidhofen an der Ybbs, Steinakirchen, St. Georgen am Ybbsfelde; in  Königswiesen, Neukirchen u. a. in Oberösterreich[6].

Es gab gewiss auch noch weitere Gründe für die Stiftung. Die Urkunde spricht davon, dass sich  die Gemahlin  des Kaisers,  Agnes von  Poitou (Frankreich), besonders dafür eingesetzt hat; warum, das lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Tatsache ist jedoch, dass St. Margareta die Patronin des Stiftes wurde, die Heilige, die in der Heimat der Kaiserin damals die größte Verehrung genoss[7]. Sie wird auch als Helferin in den Nöten der Geburt angesehen. Die Legende berichtet - und zeigt dazu den Platz, auf dem eine Kapelle steht -, dass die Kaiserin auf der Jagd in den Wäldern von Ardagger, von plötzlichen Wehen erfasst, glücklich einem Kind das Leben schenkte und zum Dank die Gründung des Stiftes gelobte.

Tatsache ist ferner, dass die Kaiserin 1063 der Weihe des Stiftes beigewohnt hat[8]. Damals war sie schon Witwe. Begleitet wurde sie aller Wahrscheinlichkeit nach von ihrem Sohn, dem jugendlichen König Heinrich (IV.), ferner von dessen Erziehern, den Erzbischöfen von Köln und Bremen, sowie dem Primas von Deutschland, dem Erzbischof von Mainz, schließlich dem Bischof von Freising, der zum Schirmherr des Stiftes ausersehen war.

Der Erzbischof von Köln nahm die Weihe des Stiftes vor, dessen Kirche mit zahlreichen und für die Mark bedeutsamen Reliquien ausgestattet wurde[9]. Niemals wieder haben sich in unserer engeren Heimat zu einer Festlichkeit die höchsten Würdenträger des Reiches versammelt! Das Stift Ardagger wurde also auch 1063 nicht als eine lokale, sondern als eine königliche Angelegenheit betrachtet. Ja, die lokalen Vertreter, der Markgraf und der Diözesanbischof, der Bischof von Passau, fehlten sogar bei der Weihe[10].

War diese Feierlichkeit nur, um den Willen des verstorbenen Kaisers zu ehren oder um des persönlichen Interesses der Kaiserin willen?

Unzweifelhaft hat man auch weitere Reichsinteressen verfolgt. Es mag auch kein unbedeutendes Gut sein, das sich der König eigens nach Volksrecht zusprechen lässt! Es sind in der Tat bedeutende Straßen und .....

 

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[1] Herwig  Ebner,  Kloster-  und  Diözesankarte,  Katalog  der  Ausstellung  „Romanische Kunst in Österreich", Krems/Donau (1964), nach 288

[2] Feigl, 53

[3] MGH D HIU 306, Nr. 230

[4] Feig! 54
In diesem Sinn auch Röhrig 116

[5] Röhrig 119

[6] Landlinger 17

[7] Frieß 423

[8] Frieß 467, Nr. 2

[9] Landlinger 15

[10] nicht lesbar