Heimatkundliche Beilage

Zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten

Nr. 84 1. April 1979 8. Jahrgang

DER SAALEINSTURZ BEIM HOCHZEITSFEST IN FREIDEGG

(verfaßt von Gottfried Langeder)

Auf einer Anhöhe nahe dem Markt Ferschnitz stand einst das stattliche Schloß Freidegg, das an Größe und Pracht der Schallaburg gleichzusetzen war. Der Besitzer, Reichardt Strein (Streun), war Protestant und hatte beim Wiener Hof führende Ämter inne. So war er Präsident der Hofkammer, später Geheimer Rat und privat Historiker und Kunstsammler. Bei seiner 2. Hochzeit mit Regina von Tschernembl in den letzten Septembertagen des Jahres 1581 geschah hier ein großes Unglück. Der Fußboden des Festsaales brach ein, und nahezu alle 88

Gäste, darunter auch der Landmarschall Wilhelm von Roggendorf, trugen durch den Sturz Verletzungen davon.

Im Schloß Karlsbach fand unter der Führung des Grafen Orttenburg die Brautwerbung statt. Strein fuhr mit Freunden am 24. September dorthin, wo er von der Braut und deren E1tern, Barbara und Hanns v. Tschernembl, sowie deren Bekannten erwartet wurde. Nach einer kurzen Werbung beschloß man, "zu Verhüttung größerer Unkosten, die Hochzeit nach Vergleichung des zeitlichen" und nach dem "Christlichen zusammengeben" gleich abzuhalten. So hat man dann mehrere Tage "friedlich und fröhlich nach zuvor gehaltener Christlicher hochzeitpredig"' zugebracht. An "Erichtag" fuhr Strein nach Freidegg und ordnete alles zum Empfang der Gäste an, wo sich bei einem "Probschuß ein Pixenmaister" durch Überladung den Schädel zersprengte. Tags darauf, am 27. September, "zu früher tag Zeit", ging der Brautwagen mit 50 Pferden von Freidegg nach Karlsbach ab, und noch am Vormittage setzte sich der Zug von dorther in Bewegung.

Vorerst die "Handroß", dann 50 berittene Diener, daran eine Reihe von Kutschen, ebenfalls mit Dienern, hernach die Herrn selbst, außer Herrn v. Tschernembl und Jörg Ehrenreich v. Roggendorf, die an der Seite ritten. Weiters folgten die 50 Freidegger Pferde mit festlich geschmückten Reitern, je drei zu drei. Zu Beginn 3 Trompeter, dann 3 von Adel mit meissischen Samtröcken, am Hut 3 weiße Kranichfedern, weiters die Edeljungen im gleichen Gewande, jedoch weiß und schwarzem Federbusch auf den überzogenen Sturmhauben. Es folgten die "Reißigen Knecht" mit einer weißen Kranichfeder und wieder 3 zu 3 wie die Vorigen. Hernach die Edeljungen mit dem Bräutigam, mit weiß, grün und leibfarbencn Federn auf den Hauben und rot beschlagener Jägerhörndln, Wehr und Dolch mit langen Röhren verziert. Auf diese Pferde folgte der Brautwagen, mit schwarzem Leder überzogen, innen braun, mit weißer Seide abgestepptem Atlas ausgefüttert, das Eisenwerk versilbert und von 6 gefärbten Rossen gezogen, deren Geschirr mit schwarzen Seidenfransen belegt war. Ihm folgten an die 30 Kobelwagen mit den Frauen.

Um l2 Uhr kam der Hochzeitszug in Freidegg an und wurde mit "ordentlichem schießen und sonst der gebühr nach erhlich empfangen". Als die Gäste sich in den Zimmern die Kleider richteten, war "mittlerweil die speiß aufgetragen worden". Man nahm im erstcn Stock des vorderen Hauses in der großen Stube an 5 Tafeln Platz. Der Raum war ausgeschmückt mit an den Wänden gemalten Hirschen und anderen Tieren, auf den Tischen standen allerlei zierliche Figuren, aus Ton und Wachs gearbeitet, aus denen "springende und schmekhende waßer floßen". Unter diesem Raum war die Dienerschaft versammelt, und oberhalb war noch ein Saal zum Tanzen hergerichtet. Die Mahlzeit ging "vertraulich und lieblich" ab, daß weder "fluch noch unziemliche Reden von Jemands gehört worden, so ist auch khain übermäßiger Trunkh geschehen". Wie nun das ''Obßt und Beschauessen" zum Teil auf- und wieder weggetragen wurde, also es schon zum Schlusse der Tafel geht, beginnen "unversehens die stüll bey den Tischen zu sinkhen, das etliche vermaint haben, man zukh ihm dieselben". Mit großem Getümmel bricht nun der Boden mit allem, was darauf ist, in die Tiefe. So fällt unter dem Qualm von Staub die ganze Hochzeitsgesellschaft mit einigen Dienern, mit "den Ziegel von pflaster des Podens, der schütt, den taffeln, tisch, Penkh, stühle, ploße wehren und messer", Soßen und Getränken. Die Diener im Hofe glaubten "es brinne'", weil der Wind den Staub zu den Fenstern hinausblies. Es war ein Glück, die beiden Rüstbäume waren so gebrochen, daß sie an einem ''Orth" in der Mauer hängen blieben und so dcn Fall etwas abschwächten. Manche haben es wie das jüngste Gericht und die Auferstehung der Toten empfunden, "in dem ainer tieffer als der Andere durch die schütt bedekht gleich als vergraben und mit Tramen verlegt dagelegen, andere selbst aufgestanden und geholfen" haben. Als die Sicht besser wurde, begann ein Wehklagen der Frauen und Kinder, daß es einen Stein hat erbarmen mögen. Nun kamen die Herrn die nicht bei der Tafel anwesend waren, mit den Dienern gelaufen (wobei ein Diener von einem Baum erschlagen wurde), um zu helfen. Die Braut kam mit einem "riß am khinn" davon, während der Bräutigam am Kopf, rechten Arm gestreift und am linken Fuß "gedrukt" wurde. Zwei Balken lagen über ihm, und er hatte viel Kalk in den Augen. Besonderes Mitleid hatte man mit den beiden schwangeren Frauen, der Schwiegermutter und der Schwägerin des Bräutigams. Beide brachten tote Kinder zur Welt, und letztere starb etwa 3 Wochen später im Kindlbett. Der Landmarschall hatte auch seinen schweren Fall und den linken Fuß in der Huft beschädigt, blieb aber so lang im Saal, bis allen geholfen wurde.

Strein, als Protestanten, war dieses Unglück beim Ende der Hochzeit sehr unangenehm, und so beeilte er sich, den Anschuldigungen der Katholiken wegen der in großer Pracht abgehaltener Vermählung mit einer eigenen Rechtfertigungsschrift entgegenzuwirken. Der katholische Reichshofrat Dr. Eder berichtete über die Katastrophe in Freidegg an die Herzöge in Bayern, "das nicht auch eine straff gottes dabay say". Auch Michael Khlesl, der damals noch Dompropst in Wien war; schrieb über die Strein-Tschernembl-Hochzeit an die gleiche Adresse und erzählte mit etwas Schadenfreude, dass zum Landtag am 2l. Oktober 1581 nur ein kleiner Teil der protestantischen Herrn und Ritter gesund erschienen seien, weil fast alle bei der Hochzeit "große dipl" bekommen hätten, die etliche bis ins Grab behalten müßten.

Trotz all dieser schlechten Vorzeichen war die zweite Ehe von Strein glücklich, dauerte 19 Jahre, und aus ihr entsprossen 5 Söhne und 9 Töchter.