Franz Steinkellner

Die Öhlermüllerin - Sage und Realität

 

Die Sage und die Gedenkmarterl

Eine der bekanntesten geschichtlichen Erzählungen des westlichen Mostviertels ist jene von den drei Frauen, die angeblich anno 1529 von den Türken geraubt wurden. Nach mehrjähriger Gefangenschaft in Konstantinopel konnten sie fliehen und wieder in ihre Heimat zurückkehren. Die Titelheldin der Geschichte ist die Öhlermüllerin. Der Name kommt von der Öhlinger- oder Öhlermühle, Pfarre und Gemeinde Öhling. Beim Herannahen der berittenen türkischen Streifscharen lief sie in ihrer Angst und Verzweiflung zur nahen Kapelle, wo sie von den aus der Richtung Neuhofen kommenden Türken ergriffen wurde. Zwei weitere Frauen, die "Reintaler Tini" (Reintal, Pfarre und Gemeinde Zeillern) und die "Empfinger Lisi" (Empfing, Pfarre Stephanshart) wurden damals ebenfalls von den Türken verschleppt und geraubt. In Konstantinopel wurden sie auf dem Sklavenmarkt an einen vornehmen Herrn verkauft. Nach mehreren Jahren der Gefangenschaft ergab sich bei einem Erdbeben die Möglichkeit zur Flucht, die von den drei Frauen zusammen mit einer schwarzen Dienerin namens Zoe ergriffen wurde. Die Rückkehr in die Heimat dauerte ein Jahr. Zoe starb dabei an den Strapazen. Der Öhlermüller soll sich in der Zwischenzeit wieder verheiratet haben. Die zweite Frau wollte der Heimkehrerin sofort den Platz räumen, doch diese habe im Hinblick auf ihren geschwächten Gesundheitszustand und auf ihr nahes Ende auf ein weiteres Zusammenleben mit ihrem Mann verzichtet, sei zu ihrer Freundin gezogen und bald darauf gestorben. Angeblich soll sie in Zeillern begraben worden sein.

In dieser und in ähnlicher Form wird die Geschichte bis heute erzählt. Dass es dabei im Volksmund verschiedene Varianten gibt, ist nicht verwunderlich. Die Erzählung ist als Kalendergeschichte zweimal im Druck erschienen und wurde auch zweimal zum Stoff eines gleichnamigen Bühnenstückes erwählt, einmal von dem ehemaligen Pfarrer Geist!. Rat Brückler von Winklarn und ein zweites Mal von Josef Schadenhofer aus Zeillern. Beide Stücke wurden wiederholt in der Umgebung aufgeführt und haben das Interesse an der Erzählung immer wieder geweckt. Auch zwei Gedächtnisstätten erinnern an die Begebenheit: das Türkenmarterl bei Ludwigsdorf und die Öhlermüllerkapelle in Öhling.




Das Marterl bei Ludwigsdorf besteht aus einem Holzpfahl mit einem Holzrahmen. Darin ist eine bemalte Blechtafel, die letztmalig nach 1945 von der Amstettner Malerin Anna Tschadesch renoviert wurde, weil die alte Tafel mehrere Einschüsse einer russischen MP aufwies. Die Tafel zeigt die Sonntagberger Dreifaltigkeit, darunter drei Frauen an einem Waldrand und schließlich folgenden Text: "Im Jahre 1529 wurden drei Frauen, darunter die oftmals genannte Öhlermüllerin, von den Türken verschleppt und in Konstantinopel sechs Jahre zurückgehalten. Es gelang ihnen, zu fliehen, und nach einjähriger Wanderung erreichten sie die Heimat. An dieser Stätte erblickten sie wieder, tief erschüttert, die Stätten ihrer Kindheit und Jugend. Hier schieden sie voneinander. Zwei von ihnen erlagen bald den Folgen der schweren seelischen und körperlichen Leiden." (Siehe dazu die Abbildung nebenan)






Die Öhlermüllerkapelle steht hinter dem Öhlinger Musikheim an der Abzweigung der Straße nach Aschbach. Sie weist an der Vorderseite oben ein kleines Bild ort der Gefangennahme der Müllerin auf. Darunter steht in schwarzen Ziffern die Jahreszahl 1529. Letztmalig dürfte dieses Bild von dem Lehrer Wickenhauser aus Mauer nach dem Zweiten Weltkrieg renoviert worden sein. Soweit die Vorgeschichte.

Die richtige Jahreszahl der türkischen Gefangennahme

Vor längerer Zeit machte mich Direktor OSR Karl Stiefelbauer aus Ulmerfeld darauf aufmerksam, dass die Jahreszahl 1529 nicht stimme, sondern dass sich die Geschichte erst 1683 zugetragen habe. Der Name der Öhlermüllerin sei Susanna Pilsinger gewesen. Ich möge in der Zeillerner Matrik diesbezüglich Einblick nehmen.

Am 20. April 1971 teilte mir der Stiftsarchivar von Seitenstetten Dr. P. Benedikt Wagner die gleiche Ansicht mit und führte in seinem Schreiben aus, dass das Stiftsarchiv zu dem Ereignis ein zeitgenössisches Beweismittel, das Sonntagberger Gnadenbüchl vom Jahre 1716, habe. Das Büchlein führt den Titel: "Fortsetz- und Beschreibung Etlicher Wunderbarlichen Gnaden und Würckungen, So Die allerheiligste Dreyfaltigkeit Auf den Sonntagberg... Denen Nothleydenden in unterschiedlichen Begebenheiten gnädig erwisen hat. Von 1690 biß 1715... Steyr, Gedruckt bey Joseph Grünenwald". Hier heißt es auf S. 14-15: "Anno 1690. Auß fünf-jähriger Gefangenschafft kombt wunderbarlich in die Freyheit ein Müllnerin. Susanna Pilsingerin ein Müllnerin, wird in der Tartarischen invasion, so geschehen als man Zehlete 1683. in die strenge Dienstbarkeit hinweggeführt, welche auf die 5. Jahr hat getauret... Seufftzete demnach zu dem gnadenquelenden Brunn der allerheiligsten Dreyfaltigkeit auf den Sontagberg, macht dahin ein Gelübd, und sehet! auß disen Brunnen fliesset ihr reichlich das verlang:. Gnaden Wasser, und komt hierdurch auß der langwürigen Gefangenschaft auf freyen Fuß, und Gang. Zum Danck hat sie sambt ihren Mann Martin Pilsinger, in der Oelling-Müll auß Aßpöcker Pfarr ein Opifer-Gemähl anhero machen lassen."

Daraus geht nun eindeutig hervor, daß die Jahreszahl 1529 nicht stimmen kann, sondern dass die Öhlermüllerin erst 1683 in Gefangenschaft geriet.

Ich selbst hatte bis dahin keine Veranlassung, an der Jahreszahl 1529 (1. Belagerung Wiens) in bezug auf die Geschichte der Ohlermüllerin zu zweifeln. Zwar erinnere ich mich, dass in einer Kalendergeschichte von Adalbert Queiser aus dem Jahre 1889 zwei Begriffe in Zusammenhang gebracht wurden, die zeitlich nicht zusammengehörten, nämlich die Jahreszahl 1529 und die Nennung Kara Mustapha Paschas als türkischen Anführer. Der Satz lautete:"Als die Türken unter der Führung ihres tapferen Großveziers Kara Mustapha im Jahre 1529 gegen die Hauptstadt Wien zogen,...". Da beide Denkmäler, Marterl und Kapelle, die Jahreszahl 1529 aufwiesen, nahm ich den Kara Mustapha als falsch an, denn 1529 befehligte Sultan Soliman II. das Osmanenheer. Aus dem Sonntagberger Gnadenbüchl ist aber die Jahreszahl 1683 zu ersehen. ich war aber immer noch ein bisschen skeptisch. Wenn 1683, so sagte ich mir, dann doch die "handelnden Personen" der Erzählung in den Matriken der betroffenen Pfarren aufscheinen.

So machte ich mich daran, in mehrere Pfarrhöfe der Umgebung auf Spurensuche nach der Öhlermüllerin und ihren Gefährtinnen Unruhe zu bringen.

Der Öhlermüller, seine erste Frau Veronika und seine zweite, von den Türken geraubte Frau Susanna

...nach der Pfarrmatrik von Aschbach

Mein erstes Opfer war P. Notker Wieser, der Pfarrer von Aschbach, zu dessen Pfarre Öhling damals noch gehörte. Er wappnete sich dankenswerterweise mit Geduld und ließ mich in den Schätzen seiner Matrik wühlen.

Ein erster Erfolg stellte sich ein, als ich den im Gnadenbüchlein genannten Öhlermüller, Martin Pilsinger, in der Heimatsmatrik fand. Demnach heiratete am 6.Mai 1649 Martin Pilsinger, Sohn des Hans Pilsinger zu Pilsing, Veronika, eine Tochter des Stefan Praunshofer aus der Pfarre Euratsfeld.

Dann kam die zweite Entdeckung; diesmal in der Sterbematrik, auch wieder den Müller selbst betreffend: Am 30. Juni 1705 "ist begraben worden Martin Pilsinger an der Ölling Müll seynes alters bey 79 Jahren".

Und dann fand ich die erste Spur Susannas:

"Den 25. (Oktober 1705) ist copuliert worden in Aspach Martin Neydorffer seines Handwerchs am Müllerjunge, den Ehrnf. Mathias Neydorffer Müllermaister an der Gruebmüll, Maria dessen Ehewürtin Beider Ehelicher Sohn. Mit Susanna, des Martin Pilsinger an der Ölung Mühl seel. Vnnterlaßener Wittib. Testes Adam Poxhouer an der Haydtmühl, Andre Plankch Bürgerlicher Päckh alhier. Hannß Haimberger zu Wimpassing, Stephann Dorffmayr zu Öhling."

Pilsingers erste Frau, Veronika, war wohl schon verstorben. Ich suchte weiter. Schließlich fand ich im Totenbuch Susannas Ableben eingetragen. "Eodem die (20. 12. 1729) ist conducierth worden Frau Susanna Neydorfferin an der Öllingmühl, in der Bruderschaft zu Krenstötten, alt 72 Jahre." Unter der angeführten Bruderschaft ist die Rosenkranzbruderschaft zu Krenstetten gemeint, die so wie alle anderen Bruderschaften unter Kaiser Josef II. aufgelöst wurde. (Siehe dazu "Österreichs Wiege" 1, S. 182.)

Ein halbes Jahr später, am 27. Juni 1730, heiratete Neydorfer eine Anna Maria Halb.

Nun hatte ich zwar Susanne. die Öhlermüllerin. zweimal in der Matrik aufgespürt; aber wer war sie? Wo kam sie her? Unglücklicherweise fehlt in Aschbach die Trauungsmatrik um 1680. So suchte ich denn die Taufmatrik durch. Vielleicht, so hoffte ich, waren Martin und Susanna oder Veronika irgendwo als Taufpaten eingetragen, wenn schon keine eigenen Kinder da waren. Vergeblich!

Dann suchte ich in der Zeillerner Totenmatrik weiter. Doch meine Hoffnung, hier auf eine Eintragung zu stoßen, war gering; hatte ich doch vor Jahren die Zeillerner Matrik Eintragung für Eintragung für meine "Hof- und Familiengeschichte von Zeillern" ausgewertet. Eine Susanna und eine Veronika Pilsingerin waren mir dabei nicht untergekommen. Es war wirklich nichts zu finden. So ging ich wieder nach Aschbach und suchte in der Sterbematrik weiter. Dabei stieß ich zwar nicht auf Veronika, die ich suchte, wohl aber trat der Name der Öhlermühle öfters in Erscheinung. So fand ich 1661 (17.2.) den Sterbefall einer Margarete Straußin "geweste Ölingmüllerin", und in der Heiratsmatrik fand ich für den 9. 2. 1647 deren Vermählung mit dem Müller Simon bzw. Siegmund Strauß an der Öhlermühle zu Öhling. Schließlich bezeugten die Sterbematriken ab 10. 1. 1677 bis 23. 11. 1681 einen Paul Distelberger auf der Ohlermühle.

Da wurde mir nun klar, warum ich bisher vergeblich gesucht hatte: Weder Martin Pilsinger noch eine seiner Frauen, Veronika und Susanna, konnten in der Aschbacher Matrik zwischen 1649 und 1681 aufscheinen, weil Pilsinger damals gar nicht im Besitz der Öhlermühle war, sondern weil die Mühle frühestens nach dem Tode Paul Distelbergers am 23. 11. 1681 von Pilsinger erworben worden sein konnte. Und weiters wurde mir klar, dass er sich von seiner Verheiratung anno 1649 an bis 1681 gar nicht in Öhling oder einem anderen Teil der damaligen Pfarre Aschbach aufgehalten haben konnte.

Wo sollte ich weitersuchen? Den einzigen Hinweis lieferte die Trauungsmatrik vom 6. Mai 1649, wo Pilsingers erste Frau Veronika als aus der Pfarre Euratsfeld stammend angegeben wurde. So beschloß ich, dort weiterzusuchen.

Der Vollständigkeit halber will ich noch erwähnen, dass ich in Aschbach noch auf das Sterbedatum von Martin Pilsingers Vater, Hans Pilsinger zu Pilsing, stieß, der am 9. 1. 1674 "bey 100 Jahren" alt gestorben war.

...nach der Pfarrmatrik von Euratsfeld

Was ich kaum zu hoffen wagte, in Euratsfeld hatte ich Glück. Pfarrer Hirner legte mir die älteste Matrik der Pfarre vor, und ein halbe Stunde später hatte ich die zwei lange gesuchten Eintragungen. In der Sterbematrik stand: "Den 21. dieses (März 1681) Ist Veronica Pilsingerin zu Hasellau Ihres Alters bei 50 Jahren begraben worden;" und in der Trauungsmatrik fand ich "Den 4. dieses (November 1681) ist copuliert worden Marthin Pilssinger ein Wittiber zu Hasselau Mit Susanna des Hannß Resch (oder Posch?) zu Lizellach... Tochter..."

Damit war der matrikenmäßige Beweis für die Angaben des Sonntagberger Gnadenbuches erbracht.

Anders als die Sage sind die geschichtlichen Tatsachen

Kurz zusammengefaßt, ergibt sich folgendes Bild: Martin Pilsinger, ein Sohn des am 9.1.1674 verstorbenen Hans Pilsinger zu Pilsing, hatte am 6. Mai 1649 in erster Ehe die Verorika Praunshofer aus der Pfarre Euratsfeld geheiratet. Er wurde Müller in der Haslaumühle zu Euratsfeld. Seine erste Gemahlin Veronika starb am 21.3. 1681. Am 4. 11. 1681 heiratete Martin die Susanna Resch (Posch?) von Litzellach, Pfarre Euratsfeld, und übersiedelte kurz darauf in die Öhlermühle, wo Susanna 1683 von den Türken entführt wurde. 1690 war sie bereits in die Heimat zurückgekehrt und stiftete mit ihrem Mann ein Votivbild zur Hi. Dreifaltigkeit auf dem Sonntagberg, aus Dank für ihre glückliche Heimkehr. Ihr Mann, Martin Pilsinger, starb am 30. 6. 1705, und Susanna heiratete am 25. Oktober 1705 in zweiter Ehe den Martin Neydorffer. Sie starb am 20. 12. 1729 im Alter von etwa 72 Jahren.

Was über diese Tatsachen hinaus erzählt wird, ist nicht mehr Geschichte, sondern ist eine Geschichte, eine geschichtliche Legende, ist erfundenes Beiwerk späterer Jahrhunderte.

Die zwei anderen in der Sage genannten Frauen

Nun, der Erzählung nach waren es aber drei Frauen, die heimkehrten. Wer waren die beiden anderen?

Eingangs sagten wir, dass die zweite als "Reintaler Tini" bezeichnet wird. Alte Leute wussten weiter zu berichten, dass sie vom "Dürerhaus" in Reintal gewesen sein soll. In meiner "Hof- und Familiengeschichte von Zeillern" finden sich über diese Frau folgende aus der Zeillerner Matrik stammende Angaben:

Das Dürerhaus zu Reintal trägt heute die Nummer 47 (früher Reintal 5) und ist nach dem Vorbesitzer Alois Dürer so bezeichnet. Der jetzige Besitzer heißt Peireder. Auf diesem Haus lässt sich ab 27. 1. 1692 eine Christine Zeiner nachweisen. Sie muss die gesuchte Reintaler Tini sein, denn es lässt sich um diese Zeit keine andere Tini (Christine, Leopoldine) in Reintal feststellen. Außerdem stimmt das von der Bevölkerung angegebene Haus damit überein.

Christine wurde am 21. 6. 1656 in Zeillern als Tochter des Schneidermeisters Stefan Gassner und seiner Ehefrau Susanna vermutlich auf der Weingrub (heute Zeillern 36) geboren.1683, zur Zeit der Gefangennahme, war sie daher 27 Jahre alt. Erst nach ihrer Rückkehr aus der türkischen Gefangenschaft kam sie nach Reintal, wo sie, wie schon erwähnt, am 27.1.1692 den Witwer Johann Georg Zeiner, Weber zu Reintal, ehelichte. dessen erste Gemahlin Barbara am 5. 12. 1691 gestorben war. Christine gebar ihrem Manne noch drei Kinder, Johannes (30. 10. 1692), der den Stamm fortsetzte, Katharina (13. 11. 1696) und Barbara (22. 10. 1700). Sie starb am 24. 5. 1727.

Über die dritte der geraubten Frauen, die "Empfinger Lisi", führten die Nachforschungen zu keinem Erfolg. Sie soll vom Gatterbauernhof zu Empfing abstammen; daher müssten eigentlich die Matriken von Stephanshart Auskunft geben können.

GR Pfarrer Spring nahm mich gastfreundlich auf. Mehrere Tage verbrachte ich mit der Suche.

Es gelang mir, aus der Matrik die Familien der Besitzer auf dem Gatterbauernhof zu Empfing

(heute Nr. 110) für die in Frage kommende Zeit zu erforschen. Hier ein kurzer Abriss darüber:

Am 5. Juli 1665 heiratete Johannes Haider, der Sohn des Matthias Haider vom Gatterbauernhof zu Empfing, eine gewisse Magdalena Pründtner von Neustadt!. Ich hoffte, unter den Kindern kurz nach der Heirat des jungen Paares eine Elisabeth zu finden. Es war keine dabei.

Am 3. 1. l667 wurde Maria geboren, am 28.9. l668 Michael, am 28. 10. l670 Barbara, am 1.4.1673 Stefan, der noch als Kind starb, und am 28. Juni 1674 Sabine. Dann starb am 7.4. 1676 der Besitzer Johannes Haider im Alter von ca. 40 Jahren. Am 7. Juli des gleichen Jahres heiratete seine Witwe den Matthias Hausleitner aus Pfaffenberg, Pfarre Stift Ardagger. Es kam zur Geburt weiterer Kinder. Am 9.8. 1677 wurde Susanna geboren, am 1. 7. 1680 Magdalena, am 21. 2. 1683 Rosina. Im gleichen Jahr - es war das Jahr des Türkeneinfalls, und am 12. September errang das Entsatzheer vor Wien seinen grandiosen Sieg - war Magdalena, die Mutter der Kinder, Taufpatin bei der befreundeten Familie der Stingel in der Au und hob das Kind Katharina aus der Taufe (5. 10. 1683). Am 2. 10. 1685 gebar sie ihr letztes Kind, das ebenfalls den Namen Katharina erhielt.

Zehn Jahre später, am 6. 4. 1695, starb Magdalenas zweiter Mann, und nachdem sie ihn begraben hatte, schritt sie am 30. Mai 1695 zur dritten Ehe mit Jörg Mayrhofer.

Aus dieser Zusammenstellung ist keine Elisabeth ersichtlich, die sich mit der gesuchten "Lisi" identifizieren ließe, ja es kommt überhaupt keine Elisabeth vor. Natürlich wäre es möglich, dass die Gesuchte gar nicht der Familie angehört hat, dass sie etwa Magd am Gatterbauernhofe gewesen ist. Dann ist sie durch die Matrik nicht auffindbar. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit, dass nämlich der Name Elisabeth (Lisi) gar nicht stimmt. Die Erzählung bezeichnet die Öhlermüllerin ja auch als Kathl und als Patenkind des Moarwirtes in Öhling, während sie in Wirklichkeit Susanna hieß und von Litzellach in der Pfarre Euratsfeld abstammte. Man kann also in bezug auf den Taufnamen Lisi ebenfalls sehr skeptisch sein. Dann käme aus der Familie der Besitzer des Gatterbauernhofes etwa auch die 1667 geborene Maria, die zur Zeit der Invasion schon 16 Jahre alt war, eventuell sogar noch ihre damals l3jährige Schwester Barbara in Frage. Die Mutter Magdalena selbst kann auf keinen Fall mit der Gesuchten ident gesetzt werden, da sie ja kurz nach der Türkeninvasion als Taufpatin aufscheint und 1685 ihr letztes Kind geboren hat.

Die 1667 geborene Maria heiratete am 9. 4. 1693 den Jakob Kienast von Oberzeillern (heute Nr. 135) und starb am 23.5. 1698 kinderlos. Am ehesten wäre die Gesuchte mit ihr gleichzusetzen, allein es gibt keinen Beweis.

Frauenraub in der Türkenzeit

Die Tatsache, dass man heute die Geschichte der Öhlermüllerin so erzählt, als habe sich ihr Mann während ihrer Abwesenheit wieder vermählt, und die Heimkehrerin habe, todkrank, ihrer Nachfolgerin freiwillig das Feld überlassen, lässt sich mit analogen Fällen teilweise aufhellen.

Frauenraub war in den Türkenkriegen weit häufiger, als wir heute annehmen. Nur selten gibt ein Chronik darüber Auskunft. In den Matriken der Pfarren finden sich Eintragungen nur dann, wenn Bewohner durch die Türken getötet wurden. Frauenraub aber war kein Matrikenfall. Daher gibt es auch keine Eintragungen darüber. Manchmal aber haben Männer, deren Ehefrauen geraubt worden waren, wieder geheiratet. Die Zeillerner Matrik vermerkt zwei Fälle dieser Art aus dem Jahre 1687, wo die Männer mit besonderer bischöflicher Erlaubnis wieder heiraten durften, nachdem von den vier Jahre früher geraubten Frauen nichts mehr bekannt geworden war. Hier die beiden Fälle:

1. Ursula Witzmannstorffer, Tochter des Bartholomäus Nabegger und seiner Ehefrau Katharina von Oberzeillern, hatte am 9. 2. 1670 den Benedikt Witzmannstorffer, Zimmermeister zu Schörghof, geheiratet. Ursula wurde von den Türken verschleppt. Benedikt heiratete am 5. Oktober 1687 neuerdings, nachdem er dazu eine bischöflich-passauische Heiratserlaubnis erhalten hatte. Die Zeillerner Matrik vermerkt dazu: "Cujus Benedicti Witzmannstorffer uxor nomine Ursula a Barbaris gentibus capta est anno 1683, qui postmodum ex speciali licentia quae data est Anno 1687, 27. 7. a Celsissimo Principe nostro in Ida copulatus est."

2. Katharina Lauer von Luppenberg (heute Nr. 204) war seit 23. 11. 1670 die Ehefrau des Matthias Lauer. Sie hatte das gleiche Schicksal wie Ursula Witzmannstorffer. Auch Matthias durfte mit bischöflicher Erlaubnis 1687 wieder heiraten.

Und dann passierte es, dass drei von den Türken geraubte Frauen plötzlich wieder heimkehrten. Was liegt näher, als dass man sich ausgemalt hat, wie es denn wäre, wenn eine der Heimkehrerinnen einen wiederverehelichten Mann vorgefunden hätte.

Unsere Volkserzählung hat also die zwei an sich getrennten Komponenten a) der Rückkehr der drei geraubten Frauen aus der türkischen Gefangenschaft und b) die mögliche Wiederverehelichung des Mannes mit besonderer Erlaubnis des Bischofs und der daraus sich ergebenden möglichen Konsequenzen miteinander verwoben und dabei langsam auch die tatsächliche Jahreszahl verwechselt.

Was an der Erzählung von der Öhlermüllerin Wahrheit ist, sei durch diese Zeilen für die kommenden Geschlechter festgehalten.