Der Heilige Christophorus

Der Begleiter über die Schwelle

Christophorus, der Christus-Träger, ist einer der volkstümlichsten Heiligen. Er wurde unter Kaiser Decius um das Jahr 250 enthauptet. Sein Fest ist am 24. Juli. Er ist der Schutzheilige aller Reisenden. Berühmt ist sein Gebet unmittelbar vor seinem Tod, dass alle auf seine Fürbitte hin die göttliche Barmherzigkeit erfahren sollen. Christophorus wird in der deutschen Kunst häufig dargestellt. Die älteste Darstellung ist die an der Außenseite der Schlosskapelle zu Hocheppan um die Mitte des 12. Jhds. Die ältesten Darstellungen zeigen Christophorus nicht im Wasser, sondern als einen großen Mann mit einem Baumstamm, ältere Legende von der Passion des Heiligen. Da hat er einen Stab in die Erde gerammt. Und am nächsten Tag ist er aufgeblüht und hat Früchte getragen. Christus trägt er entweder auf seinen Schultern oder an seinem Herzen. Dabei ist Christus nicht als Kind, sondern als Herr der Welt dargestellt. Diese Darstellungen deuten den Namen des Heiligen als Christusträger. Petrus Damiani deutet ihn dabei als den, der Christus in seinem Herzen trägt. Die jüngeren Darstellungen Folgen der etwa um das fahr 1200 entstandenen Legen de. Da steht Christophorus als Riese mit bloßen Füßen immer im Wasser und trägt das Kind auf seinen Schultern, das oft mit der Weltkugel spielt, Jörg Riemenschneider hält sich an die Legende und stellt Christophorus als bärtigen Riesen dar, der durch das Wasser schreitet und sich auf den Baumstamm stützt, um das Kind sicher durch die Flut zu tragen. Er bildet die Mitte des Reliefs Um ihn herum scharen sich die ändern Nothelfer.

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Christophorus ist nicht nur Helfer gegen einen unvorhergesehen Tod, er soll uns vielmehr helfen, die Schwellenangst zu überwinden, die Angst, die uns an den vielen Übergängen unseres Lebens und bei jedem Neubeginn überkommt. "Die Betrachtung seines Bildes am Morgen gilt als Schutzmittel für die Bewahrung der Lebenskraft bis zum Abend. Darum wurde sein Bild möglichst groß beim Kircheneingang und an den belebtesten Punkten in Stadt und Land an Türme und Häuser gemalt." (Melchers 455) Daher gilt er auch als Patron für das christliche Tagwerk. Er wird angerufen, dass unser Alltag gelingt. Christophorus ist ein Bild der Hoffnung, dass uns der Tag nicht die Kraft raubt, dass wir nicht ausbrennen vor lauter Anstrengung, sondern dass wir ihn aus der Kraft Christi heraus leben, dass wir immer in Berührung sind mit der inneren Quelle der göttlichen Kraft. Seine Legende ist auch ein Bild für gelungenes Leben schlechthin, für die Stationen, die jeder von uns durchlaufen muss auf seinem Weg zu Gott.

Der Legende nach soll er zuerst Reprobus geheißen haben, d.h. der Verdammte. Er wollte den mächtigsten Herrscher der Welt suchen, um sich in seinen Dienst zu stellen. Zuerst kommt er zu einem König, den man für den mächtigsten Mann seiner Zeit hält. Als ein Gaukler in einem Lied vor dem König den Teufel erwähnt, macht der König das Kreuzzeichen. Offensichtlich hat der König Angst vor dem Teufel. Christophorus sucht nun den Teufel, der anscheinend mächtiger ist als sein König. Als er ihn findet, tritt er in seinen Dienst. Als sie auf ihren gemeinsamen Wanderungen an einem Kreuz vorbeikommen, macht der Teufel einen Umweg. Auf des Reprobus bohrende Frage hin muss ihm der Teufel bekennen, dass er Angst vor dem Kreuz habe, seitdem Jesus Christus daran gestorben sei. So macht sich Christophorus auf den Weg, Jesus Christus zu finden und ihm zu dienen. Auf seiner Suche findet er einen Einsiedler. Er fragt ihn: "Was muss ich tun, um Jesus Christus zu sehen?" Der Einsiedler verweist ihn auf das Fasten. Doch das kann Christophorus nicht. Da sagt ihm der Einsiedler: "Siehst du den gefährlichen Fluss da unten? Die Leute, die ihn überqueren wollen, verlieren oft ihr Leben dabei. Lass dich an seinem Ufer nieder. Dein ungeheurer Wuchs und deine gewaltige Kraft werden dich instand setzen, die Reisenden von einem Ufer zum ändern zu tragen. Sei jedermanns Diener, so wirst du den König der Könige, Jesus Christus, sehen." (Ebd 456) Als er schon viele Jahre den Menschen gedient hatte, wollte ein Kind, dass er es über den Fluss trage. Das Kind wird auf seinen Schultern immer schwerer. Als er es am ändern Ufer absetzte, sagte er zu ihm: "Ich glaubte zu sterben. Es war, als wenn ich die ganze Welt auf den Schultern gehabt hätte. Ich hätte es nicht länger ertragen." (456) Das Kind antwortete ihm: "Christophorus, du hast mehr getragen als die Welt, du hast den Schöpfer der Welt getragen: Ich bin der König Jesus Christus." (456f) Er heißt nun nicht mehr Reprobus, der Verdammte, sondern Christophorus, der Christusträger. Damit wird er ein Bild für jeden Christen. Das Geheimnis Unseres Christseins besteht darin, dass wir Christus in uns und auf unsern Schultern tragen.

Die Geschichte des Christophorus zeigt, worum es in jedem Leben geht. Christophorus ist der suchende Mensch. Er ist nicht zufrieden mit dem, was er hat. So macht er sich auf den Weg.

Er stellt sich die Frage, wem er dienen, für wen und für was er sein Leben einsetzen möchte. Er möchte seine Fähigkeiten in den Dienst des Mächtigsten und Größten stellen. Und er macht die Erfahrung, dass der Dienst für den scheinbar Größten, für einen Götzen, nur unfrei macht.

Nur wenn ich Gott diene, werde ich wahrhaft Mensch, komme ich zu mir, werde ich wirklich frei. Das Paradox ist aber, dass Christophorus gerade dort Christus, dem mächtigsten König dient, wo er der Diener aller Menschen wird, gerade auch der Diener der Kleinen. Weil er Christus, dem Größten dienen will, kann er dem Kleinsten dienen, ohne sich klein zu machen.

Er erweist seine Größe darin, dass er sich auch zum Kleinsten hinwendet. Als er sich in den Dienst des mächtigsten Königs und dann des Teufels gestellt hatte, war er von ihnen abhängig. Und er geriet in den Bannkreis ihrer Angst.

Er wurde von ihrer Angst klein gemacht. Er spürte, dass sie seine tiefste Sehnsucht nicht erfüllen konnten. So suchte er weiter. Er gibt sich nicht zufrieden mit der scheinbaren Größe von Menschen, die sich nur dann groß vorkommen, wenn sie andere klein machen. Er sucht wahre Größe.

Er, der Riese, findet diese Größe in dem Einsiedler und dann in dem Kind, das er auf den Schultern trägt und in dem er Christus selbst erkennt. Als er Christus dient, erfährt er wahre Größe und wahre Freiheit. Es braucht oft viele Wegerfahrungen, um zu dieser Freiheit zu gelangen, um zu spüren, wie ich ohne Angst leben kann.

Christophorus ist der Reisepatron. Bei den vielen Unfällen, von denen wir täglich in der Zeitung lesen, kann uns Christophorus Vertrauen schenken, dass Gott uns auf unserer Fahrt mit dem Auto schützen möge, dass Gott uns eine sichere Landung mit dem Flugzeug schenken möge. Christophorus ist aber nicht nur Patron für Reisende, sondern er ist durch seine eigene Geschichte zum Bild für unser Leben geworden. Er ist insofern Nothelfer, als er uns hilft, unsern Weg so zu gehen, dass wir sicher durch die Fluten unseres Lebens gelangen, dass wir ans andere Ufer gelangen, an das Ufer der Ewigkeit. So wurde Christophorus auch oft als Sterbepatron angerufen, als Heiliger, der uns durch die Furt des Todes ans sichere Ufer des ewigen Lebens tragen möge. Aber es geht nicht nur um die Schwelle des Todes, über die er uns sicher geleiten will, sondern um die vielen Schwellen, die wir an den Übergängen unseres Lebens überschreiten müssen und die uns immer wieder Angst machen. Er will uns das Vertrauen schenken, dass Gott uns bei jeder Schwelle, die wir überschreiten müssen, sicher geleiten wird.

Christophorus wurde nicht umsonst am Eingang der Kirchen dargestellt. Die Alten drückten damit aus, dass es bei jedem Übergang in unserem Leben letztlich um die Schwelle zum Heiligen und Numinosen hin geht. Bei jeder Schwelle treten wir aus dem bisher Bekannten hinein in das Unbekannte, das uns Angst macht, hinein in den Bereich Gottes, von dem wir nicht wissen, was er an Erfahrungen für uns bereit hält.

Es gibt viele Übergänge in unserem Leben, den Übergang von der Kindheit zur Jugend, von der Jugend zum Erwachsenwerden, den oft schwierigen Übergang in der Lebensmitte und bei der Pensionierung und schließlich den letzten Übergang im Tod. Jeder Übergang macht Angst. Jede Schwelle, die wir überschreiten, ist mit Angst vor dem Unbekannten besetzt. Die Christophorusbilder am Eingang der Kirchen wollen uns die Angst vor den vielen Übergängen unseres Lebens nehmen, von den vielen Abschieden, die wir vollziehen müssen, um von neuem beginnen zu können. Der Einsiedler hatte Christophorus gesagt, er solle am Flussübergang auf Christus warten. Jeder unserer Übergänge hat mit Christus zu tun. An jeder Schwelle können wir Christus begegnen. Aber wir werden ähnlich wie Christophorus Christus nicht gleich erkennen. Er wird vielmehr schwer werden auf unseren Schultern. Er wird uns niederdrücken.

Manchmal kann er uns bis zur Depression hinunter pressen. Aber - so verheißt uns die Gestalt des Christophorus - wir haben genügend Kräfte. In uns ist auch der Riese, der der Last des Übergangs standhält. Weil uns jede Schwelle Angst macht und weil viele Menschen daher den Schritt über die Schwelle nicht wagen und in ihrer Entwicklung stehen bleiben, brauchen wir das Bild des Christophorus, um im Vertrauen auf Christus den Übergang zu wagen.

Christophorus hört nachts den Ruf des Kindes.

In der Nacht spricht Gott zu uns im Traum. Da lädt er uns ein, uns dem Kind anzuvertrauen, dem Unverfälschten und Neuen, das in uns Gestalt annehmen will. Aber dieses Kind zu tragen, kann auch für uns oft genug zur Last werden. Es wäre einfacher, im Strom der andern mitzuschwimmen, als das ureigenste Leben zu leben, als dem Kind in uns gerecht zu werden.

Viele brechen unter dieser Last zusammen. Aber wir müssen durch die tiefste Stelle des Stromes schreiten, um ans andere Ufer zu gelangen. Erst am andern Ufer erfahren wir, dass es Christus selbst war, den wir getragen haben. Und dann wird unser Stab zu grünen und zu blühen beginnen. Wenn Christus in uns ist, dann wird unser Leben fruchtbar, dann kommt das Eigentliche, das, was Gott nur uns persönlich an Fähigkeiten und Gaben geschenkt hat, zur Blüte.

Die Gestalt des hl. Christophorus will uns das Vertrauen schenken, dass uns die Übergänge unseres Lebens gelingen und dass es Christus selbst ist, den wir in uns tragen und der unserem Leben Fruchtbarkeit und Schönheit schenkt.

Quelle: Anselm Grün

Die 14 Nothelfer als Bilder einer christlichen Therapie

VIER-TÜRME-VERLAG MÜNSTERSCHWARZACH

ISBN 3-87868-596-3

 

Inhalt

hl. 14 Nothelfer

Stift Ardagger