BOTE VON DER YBBS      Seite 5      (Ausschnitt leider ohne Datumsangabe)

"Das Leben ist eine Aufgabe"

 

In memoriam Elisabeth Kraus - Kassegg

In aller Stille ist am Freitag, dem 24. Feber [Jahreszahl fehlt], das Lebenslicht der heimischen Dichterin Prof. Elisabeth Kraus-Kassegg verloschen. Sie hat nun die Ernte ihres Lebens eingebracht, die im Tod die volle Reife erlangte, Im Rückblick auf über neun Lebensjahrzehnte zeigt sich, dass die nun Verstorbene dem christlich-humanistischen Sinn stets verhaftet blieb, sich oft für den unbequemen, aber ehrlichen Weg entschied. Viele materielle Entbehrungen ließen die inneren Werte in ihr wachsen, machten sie sensibel für die Armen, Ausgestoßenen, Heimatlosen und Opfer der Kriege. Sie fühlte sich ihnen verbunden. Sie betrachtete das Leben als eine Aufgabe, die sie nach bestem Wissen und Können zu meistern versuchte, Sie selbst muss von frühester Kindheit an Abstriche hinnehmen. Am 21. März 1898 in Ossiach in Kärnten geboren, ist sie stets kränklich, erhält bis zum 14. Lebensjahr nur Hausunterricht, darf mit 16 Jahren dann endlich die Klosterschule in Nonnberg besuchen und lässt sich 1918 als Rot-Kreuz-Schwester für Kriegsblinde ausbilden.

Mit Ende des Krieges werden ihre dichterischen Zukunftspläne zerstört. Mit ihrer nach der Inflation völlig verarmten Familie kommt sie 1920 nach Lunz. Ihr Vater, ehemaliger Landesbeamter, wird Verwalter am Kuppelwieserschen Gutshof, die ganze Familie muss hart anpacken.

1928 bricht Elisabeth Kraus-Kassegg aus. Sie geht nach Wien, erwirbt sich in Kursen Kenntnisse über vegetarisches Kochen und kann diese in angesehenen Bürgerhäusern verwerten. Sie beginnt zu schreiben, begegnet über Vermittlung dem Verleger Paul Zsolnay, der sie ermuntert, außer Novellen und Lyrik auch einmal etwas Größeres zu schreiben. Mit Hilfe eines Vorschusses kann sie sich nun ganz ihrer stillen

Leidenschaft widmen, und es entsteht ihr erster Roman "Die große Passion", der stark autobiographische Züge trägt. In der Abgeschiedenheit eines Bauernhofes schreibt sie dann noch einen weiteren Roman, "Das Theater der Götter".

1938 kehrt sie nach Lunz zurück, und dort nimmt ihr dritter Roman, betitelt "Franziskussommer" Gestalt an. Er kann in dieser politisch bewegten Zeit von Paul Szolnay nicht mehr vorlegt werden und erscheint 1948 als "Das Jahr der Erfüllung".

1940 meldet sie sich zur Umsiedlungsarbeit in Rumänien, ihre Aufzeichnungen aus der damaligen Zeit bilden Stoff für "Das rumänische Tagebuch", der letzten ihrer Romane, erschienen 1985.

1944 kehrt sie zu ihren betagten Eltern zurück und pflegt diese sieben Jahre lang, was ihr fast all ihre Kräfte raubt und sie in die Armut geraten lässt. Freunde im Ausland aber helfen ihr, sie beginnt wieder Mut zu schöpfen, Ideen zu realisieren. Der Drang zum Schreiben erfaßt sie, reißt sie mit. Der folgenden Schaffensperiode entspringt die heimatliche Trilogie "Die Herren von Amon und ihre Frauen" (1957), "Josef Haberfeiner - Meister der Steine" (1971) und "Andreas Töpper - Lebensbild eines großen Eisenindustriellen" (1979). Daneben verfaßt sie Chroniken, Festschriften, Beiträge für Zeitungen mit geschichtlichem und volkskundlichem Inhalt, wirkt sie als Kustodin des Heimatmuseums in Lunz und arrangiert Brauchtumsausstellungen im NÖ Landesmuseum.

Die Jahre vergehen, doch der Geist der Schriftstellerin kann sich jugendliche Spannkraft bewahren. Jahrzehntelang kommt sie zu den Salzburger Hochschulwochen, sie gewinnt viele Freunde gerade auch in der jungen Generation, die von der Ausdruckskraft ihrer Worte beeindruckt ist, von ihrer ehrlichen Auseinandersetzung mit den Problemen der Welt, von der alten Dame ohne erhobenen Zeigefinger, die mit ihrer Lebensweisheit nicht prahlt, sondern Hilfestellung bietet, wo sie angenommen werden kann.

Sie schätzt die Jugend, die sich nicht um jeden Preis anpassen will, sie scheut nicht die faire Auseinandersetzung mit ihr, sie bringt ihr Vertrauen entgegen.

Die offizielle Seite hat dieser großartigen Frau spät, aber doch, ihre Reverenz erwiesen und sie vielfach ausgezeichnet. Lunz - ihre Wahlheimat - bedankte ihr Engagement mit der Ernennung zur Ehrenbürgerin – ohne Kraus-Kassegg gäbe es wahrscheinlich das Amon-Haus und die Schwarz-Mannder-Brücke nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form, wäre viel Brauchtum verloren gegangen, Ehrenzeichen, Ehrenmedaillen folgten. 1981 wurde ihr der Berufstitel Professor verliehen. Ehrliche Freude bereiteten ihr aber der Handel-Mazzetti-Preis und der Dichtersteinschild von Offenhausen.

Der Lebenskreis von Elisabeth Kraus-Kassegg hat sich geschlossen. Der "Bote" verliert eine jahrzehntelang treue Mitarbeiterin, deren Beiträge sehr geschätzt wurden. Wir gedenken ihrer mit größter Hochachtung. gu